«Gemeinsam entstehen die besten Lösungen!»

    Der Aargauer Verkehrs- und Umweltdirektor Stephan Attiger engagiert sich stark im Umweltbereich und setzt sich dafür ein der «grünen» und «blauen» Infrastruktur Sorge zu tragen und sie zu optimieren. Hier gibt er Einblick über Bauprojekte im Umweltbereich, Mobilitätsstrategien, die den Aargau als Wohn- und Wirtschaftsstandort stärken, das Programm «Natur2030» sowie den Klimawandel als grösste Herausforderung.

    (Bild: zVg) Der Aargauer Landammann Stephan Attiger schätzt sein Amt sehr, «weil ich als Mitglied der Exekutive einen direkten Beitrag dazu leisten kann, unseren Kanton mitzugestalten und weiterzuentwickeln.»

    Seit dem 1. Januar 2021 sind Sie Aargauer Landamman. Was bedeutet das in Bezug auf Ihre Arbeit in diesem Jahr, respektive welche zusätzlichen Pflichten übernehmen Sie damit?
    Stephan Attiger: Als Landammann leite ich unter anderem die Sitzungen des Regierungsrats und nehme aufgrund der aktuellen Situation auch an den regelmässigen Besprechungen des Covid-Koordinationsausschusses teil. Zudem übernehme ich vermehrt Repräsentationsaufgaben für den Kanton gegen aussen. Diese Funktion ist aber dieses Jahr verständlicherweise weniger relevant. Wichtiger ist jetzt die Arbeit im Regierungskollegium: Hier möchte ich trotz Corona für Stabilität, Ruhe und gute Voraussetzungen für wichtige Entscheide sorgen. Dieses Jahr kommt zudem die Rekrutierung und Einführung einer neuen Staatsschreiberin oder eines neuen Staatschreibers hinzu.

    Sie sind schon seit 2013 Regierungsrat. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Amt gemacht?
    Ich bin sehr gerne Regierungsrat. Als Mitglied der Exekutive kann ich einen direkten Beitrag dazu leisten, unseren Kanton mitzugestalten und weiterzuentwickeln. Mein Departement Bau, Verkehr und Umwelt ist in diesem Sinn fast perfekt, weil es ein sehr breites Themenspektrum abdeckt: Raumentwicklung, Mobilität, Umwelt, Energie. Mir ist wichtig, dass wir die Herausforderungen zusammen mit allen Beteiligten meistern, denn gemeinsam entstehen immer die besten Lösungen. Im meiner bisherigen Amtszeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zwar wie überall Interessenskonflikte gibt, dass aber am Schluss alle am gleichen Strick ziehen und das gleiche Ziel haben: Die Attraktivität des Aargaus als Wohn- und Wirtschaftsstandort zu stärken.

    Welche markanten Projekte würden Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit einordnen?
    Übergeordnet haben wir die kantonale Digitalisierungsstrategie SmartAargau verabschiedet und wichtige Schritte unternommen, um unsere Prozesse und Dienstleistungen weiter zu digitalisieren. Auf den Digitalisierungsschub, den die Coronakrise ausgelöst hat, waren wir dadurch schon gut vorbereitet. In meinem Departement konnten wir auf strategischer Ebene ebenfalls wichtige Grundlagen schaffen: So wurden in den letzten Jahren die grosse Richtplanrevision im 2015 sowie die Fachstrategien in den Bereichen Energie, Mobilität und Umwelt beschlossen, zum Teil sogar einstimmig vom Grossen Rat. Dann konnten wir in allen Regionen grosse und wichtige Bauprojekte im Umweltbereich – zum Beispiel für den Hochwasserschutz – und im Mobilitätsbereich fertigstellen oder weiterplanen. Persönlich habe ich auch grosse Freude am weiteren Ausbau unseres schweizweit einzigartigen Auenschutzparks. Neben diesen und weiteren Projekten möchte ich aber auch das Tagesgeschäft im Vollzug betonen, das in meinem Departement eine bedeutende Aufgabe ist. An diesen Dienstleistungen werden wir von der Bevölkerung gemessen, und hier ist es unseren Mitarbeitenden gelungen, jederzeit qualitativ hochstehende Arbeit zu leisten.

    Als FDP-Politiker sind Sie Umweltdirektor. Wie unterscheidet sich Ihre Umweltpolitik von der Strategie der Linken und Grünen?
    Der Aargau und mein Departement unternehmen bereits sehr viel im Umweltbereich. Das ist gut so, denn der Druck auf Natur und Landschaft steigt; und es ist wichtig, dass wir zu unserer «grünen» und «blauen» Infrastruktur Sorge tragen und in sie investieren, um sie zu erhalten oder gar zu verbessern. Als bürgerlicher Politiker bin ich überzeugt, dass wir alle drei Ebenen der Nachhaltigkeit gleichwertig berücksichtigen müssen – Gesellschaft, Wirtschaft, Umwelt. Konkret: Wir müssen Tieren und Pflanzen einen ausreichend grossen und gesunden Lebensraum bieten, gleichzeitig muss der Aargau auch als Wohn- und Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben und wir müssen den Wohlstand unserer Gesellschaft sichern.

    Was sind die grössten Herausforderungen des Departementes Bau, Verkehr und Umwelt in diesem Jahr?
    Die Auswirkungen der Coronakrise sind noch schwer abzuschätzen, aber sie werden sicher alle Lebens- und Arbeitsbereiche noch lange beeinflussen. Langfristig ist und bleibt aber der Klimawandel die grösste Herausforderung. Der Regierungsrat unterstützt das klimapolitische Ziel «Netto Null bis 2050» des Bundes. Deshalb hat er den Entwicklungsschwerpunkt Klimaschutz und Klimaanpassung geschaffen und Gelder für die Entwicklung von zusätzlichen, innovativen Massnahmen gesprochen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine Herausforderung für die Umwelt, denn Klimapolitik ist nicht nur Umweltpolitik. Der Klimawandel betrifft praktisch alle Bereiche, so zum Beispiel die Raumplanung, die Mobilität, den Energie- und Gebäudebereich, die Land- und Forstwirtschaft, den Gesundheitsbereich usw. Neben den Umweltmassnahmen setzen wir als Departement zahlreiche Raumplanungs-, Verkehrs- und Mobilitätsprojekte um. Hinzu kommen grosse Programme wie das erwähnte Förderprogramm Energie im Gebäudebereich, das Massnahmenpaket zur Behebung der Waldschäden, das Naturschutzprogramm Wald oder das Programm «Natur 2030».

    (Bild: pixabay) Mit dem Programm «Natur 2030» setzt sich der Verkehrs- und Umweltdirektor und sein Departement für einen vielfältigen und vernetzten Lebensraum Aargau ein. Das Bild zeigt Lenzburg.

    Mit «Natur 2030» wollen Sie die Natur im Aargau fördern. Welche Bedeutung hat dieses Mehrjahresprogramm für die Fauna und Flora im Aargau und was wird konkret mit dem 16,5 Millionen Franken gemacht?
    Die im Aargau noch vorhandenen naturnahen Lebensräume für Fauna und Flora sind zu klein, oft durch intensive Nutzungen beeinträchtigt und zu wenig gut miteinander vernetzt. Der Klimawandel gefährdet besonders jene Arten, die auf intakte Feuchtgebiete angewiesen sind, zusätzlich. Hier leistet das Programm «Natur 2030» einen wichtigen Beitrag. Bestehende Schutzgebiete werden aufgewertet und neue Lebensräume geschaffen, indem beispielsweise ehemalige Feuchtgebiete wiederhergestellt und Kleingewässer geschaffen werden. Zur besseren Vernetzung der Lebensräume werden Hecken gepflanzt, Trockensteinmauern wiederhergestellt und Kleinstrukturen neu geschaffen. Magerwiesen- und Ruderalstandorte, etwa entlang von Bahn und Strassen oder auf ungenutzten Restflächen, tragen zur Erhaltung der Insektenvielfalt bei. Gerade in Agglomerationen profitieren auch die Menschen von der Aufwertung der Landschaft, indem sie wieder vermehrt Natur vor der Haustüre erleben können, neu gepflanzte Stadtbäume heisse Sommertage erträglicher machen oder entsiegelte Flächen zur Versickerung und Verdunstung des Regenwassers beitragen. Zusammen mit Gemeinden und Privaten soll deshalb mit dem Programm «Natur 2030» auch im und um das Siedlungsgebiet in eine «ökologische Infrastruktur» investiert werden.

    Ein wichtiges Bauprojekt ist die neue Aarebrücke «Pont Neuf» in Aarau. Sind die heiklen Phasen abgeschlossen und wird die Brücke ein Wahrzeichen für Aarau?
    Ja, die neue Aarebrücke ist ein Unikat und hat Chancen, der Hauptstadt ein neues Wahrzeichen zu geben. Bei der neuen Aarebrücke sind die Abbrucharbeiten praktisch abgeschlossen und die Bauarbeiten im Untergrund in Gange. Beim Rückbau der bestehenden Brücke wurden asbesthaltige Rohre gefunden. Der sachgerechte Rückbau nahm Zeit in Anspruch. Zudem waren die Gewölbekeller der Triumphbögen der Aarebrücke von 1850, die mit dem Bau der Brücke aus dem Jahre 1948 nicht zurück gebaut worden sind, grösser als angenommen. Damit der Verkehr stets ohne Behinderungen die Brücke passieren kann, mussten Provisorien erstellt werden, um den nötigen Platz zu schaffen. Zudem wurden Abweichungen in der Geologie angetroffen, weshalb die Hilfskonstruktionen tiefer als geplant fundiert werden mussten.

    Bis 2030 soll die Gesamtplanung «Verkehrsinfrastruktur-Entwicklung Raum Suhr-VERAS» realisiert werden. Was bedeutet dieses Verkehrskonzept für den Raum Suhr?
    Die Region Suhr und insbesondere das Suhrer Dorfzentrum sind einem stetig wachsenden Verkehrsaufkommen auf Bahn und Strasse ausgesetzt. Mit der VERAS werden der Siedlungs- und Wirtschaftsraum vom Durchgangsverkehr entlastet und Freiräume für die Siedlungsentwicklung geschaffen. Die Eingriffe in Landschafts- und Kulturland wurde soweit wie möglich minimiert, indem ein Grossteil der Strasseninfrastruktur entweder im Tunnel oder auf bestehenden Strassen geführt werden kann. Durch die VERAS werden die Anbindung des Wynentals an die A1 und nach Aarau sowie das Velonetz für den lokalen und regionalen Verkehr verbessert. Ein wesentlicher Bestandteil der VERAS sind die flankierenden Massnahmen, mit denen der gesamte in den Bereichen Siedlung und Landschaft, Fuss- und Veloverkehr sowie Strassenraumgestaltung aufgewertet wird. Die VERAS schafft für Suhr und für die umliegenden Gemeinden einen Mehrwert.

    Welche persönlichen Ziele haben Sie sich für Ihr Department in diesem Jahr gesetzt?
    Intern möchte ich für unsere Mitarbeitenden die Bedingungen schaffen, dass sie die aktuelle Coronakrise gut meistern. Dann werde ich mich natürlich weiterhin als oberster politischer Vertreter des Departements auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass unsere Geschäfte und Projekte beschlossen und umgesetzt werden; und dass die Rahmenbedingungen stimmen, um unseren Kanton weiter zu stärken. Als Präsident der Bau-, Planungs- und Umweltdirektorenkonferenz BPUK werde ich auch auf Bundesebene die Interessen unseres Kantons einbringen. Die Herausforderungen habe ich genannt – wir werden auch dieses Jahr alles daransetzen, diese zu meistern.

    Interview: Corinne Remund

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