«Herausforderung Klimawandel gemeinsam meistern»

    Pro CO2-Gesetz

    Die Aargauer Regierung spricht sich für das CO2-Gesetz aus. Es brauche diese nationale Lösung, um die vom Kanton Aargau beschlossenen Massnahmen zu ergänzen, sagt Landammann Stephan Attiger. Davon profitiere nicht nur das Klima, sondern auch das Gewerbe.

    (Bild: zVg) Landammann Stephan Attiger, Vorsteher des Departements Bau, Verkehr und Umwelt

    Herr Landammann, meine Wohnung wird von einer modernen, relativ neuen Gasheizung beheizt. Muss ich nächsten Winter frieren, falls am 13. Juni das CO2-Gesetz angenommen wird?
    Stephan Attiger: Nein, selbstverständlich nicht. Wird das Gesetz angenommen, ändert sich für Sie in Bezug auf Ihre Heizung erst mal nichts. Erst wenn diese aufgrund ihres Alters ersetzt werden sollte, müsste der dannzumal geltende Grenzwert von 20 kg CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche – oder gemäss Absenkpfad allenfalls weniger – eingehalten werden. Entscheidend ist das Einhalten des Grenzwertes also nicht zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des CO2-Gesetzes, sondern immer nur bei einem Heizungsersatz.

    Wir können die Welt doch nicht im Alleingang retten. Warum wollen Sie der kleinen Schweiz für einen kleinen Effekt einen hohen Preis zumuten?
    Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung, von der alle Staaten und Menschen betroffen sind, und die nur wir alle gemeinsam meistern können. Alle müssen einen Beitrag leisten, auch die Schweiz und der Kanton Aargau. Deshalb unterstützen wir auch das Abkommen von Paris und das Ziel «Netto Null bis 2050». Und wir wollen im Rahmen unserer Kompetenzen dazu beitragen, die entsprechenden energie- und klimapolitischen Ziele zu erreichen. Deshalb haben wir mit Unterstützung des Grossen Rates einen Entwicklungsschwerpunkt «Klimaschutz und Klimaanpassung» beschlossen und setzen weitere Massnahmen um wie etwa unsere Strategie energieAARGAU, das neue Förderprogramm Energie im Gebäudebereich oder die Solaroffensive. Diese Massnahmen alleine genügen aber nicht. Es braucht auch das CO2-Gesetz, um Energieverbrauch, Auslandabhängigkeit und CO2-Ausstoss im Gebäudebereich signifikant zu senken und so die Energie- und Klimaziele zu erreichen.

    Die Gegner des Gesetzes finden dieses teuer, nutzlos und ungerecht. Die Aargauer Regierung hat die Ja-Parole beschlossen. Was für Vorteile sehen Sie als derzeitiger Regierungschef für den Energiekanton?
    Nicht nur der Aargauer Regierungsrat, sondern auch der Bundesrat und die anderen Kantone unterstützen das CO2-Gesetz. Als traditioneller Energiekanton sowie als führender Hightech- und Forschungsstandort steht der Kanton Aargau sicher in einer besonderen Verantwortung. Der Aargau ist mit der Wasserkraft und den Kernenergieanlagen führend bei der Produktion von CO2-neutralem Strom. Aufgrund des beschlossenen Ausstiegs aus der Kernenergie stellen sich aber grosse Herausforderungen – es sind innovative Lösungen gefragt. Die Voraussetzungen dazu stimmen.

    Inwiefern?
    Im Kanton ist grosses Know-how vorhanden, hier sind erfolgreiche Unternehmen aus der Energietechnologie-Branche sowie schweizweit führende Forschungsinstitute angesiedelt – wie beispielsweise das Paul Scherrer Institut (PSI) oder das Forschungszentrum der ABB. Hinzu kommt die vom Kanton vorangetriebene Umsetzung des Programms «Hightech Aargau» oder des Innovationsparks «PARK innovAARE». Wir wollen und können unsere führende Rolle auch in Zukunft einnehmen und Innovationen vorantreiben – unter anderem wollen wir im Bereich Wasserstoff eine Vorreiterrolle einnehmen. Der im Zusammenhang mit dem CO2-Gesetz des Bundes vorgesehene Fonds hilft dem Kanton, diese Transformation zu bewältigen. Durch die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen und gezielte Innovationsförderung kann der Kanton seinen Status als pionierhafter, fortschrittlicher Forschungs- und Hightechstandort stärken und damit den Wohlstand, die Versorgungssicherheit, die Beschäftigung und somit auch die Stabilität der Aargauer Gesellschaft sichern.

    Im Argumentarium der gegnerischen Seite steht, das Gesetz würde Randregionen, landwirtschaftliche Familien, Mieter mit geringem Einkommen, junge Menschen mit kleinem Budget und das einfache Gewerbe massiv belasten. Sind Sie unsozial und widersprechen diesem sozialen Argument?
    Wie bereits festgestellt, ist der Klimawandel eine der grossen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Ein wesentlicher Treiber für die Temperaturzunahme und die damit verbundenen Folgen ist der CO2-Ausstoss, der in der Schweiz zu einem hohen Anteil durch Gebäude verursacht wird. Mit dem CO2-Gesetz und der Reduktion der CO2-Emissionen können wir hohe Kostenfolgen für die kommenden Generationen vermeiden. Natürlich verursacht dies für jede einzelne Gebäudeeigentümerin und jeden -eigentümer kurzfristig Mehrausgaben. Auch Mieterinnen und Mieter werden diese Investitionen anteilmässig mittragen müssen – sie haben aber aufgrund der Investition durch reduzierte Betriebskosten einen zusätzlichen, ganz direkten Vorteil und können so profitieren. Was jungen Menschen und auch Mietern im Übrigen viel mehr zu schaffen macht als eine kostenreduzierende Investition, ist die Entwicklung der Boden- und Immobilienpreise.

    Und was sagen Sie dem Gewerbe?
    Auch für das Gewerbe ist es betriebswirtschaftlich sinnvoll, Investitionen zu tätigen, die die Betriebs- und Unterhaltskosten langfristig deutlich senken. Abgesehen davon sind die Gewerbetreibenden aufgrund des resultierenden Arbeitsvolumens auch wirtschaftlich betrachtet Nutzniesser des CO2-Gesetzes. Ein Beispiel zum Vergleich: Mit den rund 75 Millionen Franken, die im neuen Förderprogramm Energie 2021–2024 für den Gebäudebereich zur Verfügung stehen, werden gemäss bisherigen Erfahrungen zwischen 375 und 750 Millionen Franken an Investitionen in der Privatwirtschaft ausgelöst.

    Natürlich hat jedes Gesetz eine dirigistische Komponente. Die Gegner bezeichnen das Gesetz jedoch als «CO2-Bürokratiemonster». Was sagen Sie dazu?
    Das CO2-Gesetz ist komplex und betrifft sehr viele Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Es ist aber auch in diesem Fall im Interesse der Behörden auf Bundes- und Kantonsebene, die Bestimmungen möglichst unbürokratisch umzusetzen. Bauliche Massnahmen unterliegen bereits heute bestimmten Regeln, die auch zu einer gewissen Administration führen. Die Digitalisierung, die von Bund und Kantonen vorantrieben wird, wirkt sich ebenfalls positiv aus: Sie trägt dazu bei, dass der administrative Aufwand geringer ausfällt.

    Johannes Jenny

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