Was der Fall Berset-Ringier für die Schweiz bedeutet


    Kolumne – Gut gesagt


    Das Innendepartement von Bundespräsident Alain Berset steckt mit dem Ringier-Verlag unter einer Decke. Darunter leidet die Glaubwürdigkeit von Politik und Medien.

    (Bild: Nathan Beck)

    Marc Walder, der Chef des Medienkonzerns Ringier, hatte es persönlich angekündigt: «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung», sagte er in einem von mir an Silvester vor einem Jahr im «Nebelspalter» publizierten Video. Wie diese Unterstützung konkret aussah, zeigen die Enthüllungen der «Schweiz am Wochenende». Es gab «über 180 Kommunikationsvorgänge» zwischen Walder und Peter Lauener, dem damaligen Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset (SP). Auch mit diesem tauschte sich Walder aus.

    Das bestätigt den Eindruck, der sich den Leserinnen und Lesern der Ringier-Titel («Blick», «Sonntags-Blick», «Schweizer Illustrierte») aufdrängte: Ringier hat sich zum Megafon der staatlichen Massnahmenpolitik gemacht. Was die Redaktionen zum Besten gaben, war oft kein Journalismus mehr, sondern Regierungspropaganda. Trotzig behauptet nun Chefredaktor Christian Dorer: «Niemand beeinflusst Blick». Es gab nur einen beinahe automatischen Informationsaustausch.

    Reihe von Skandalen
    Für Berset wird die Luft immer enger. Er sieht sich juristisch mit zwei Strafanzeigen konfrontiert. Dabei geht es in dem einen Fall um irreführende Angaben des Gesundheitsministers zur Wirksamkeit der Covid-19-Impfung. Im anderen Fall steht der Verdacht mutmasslicher Insiderdelikte im Raum, nachdem aus dem Berset-Departement vertrauliche Informationen über bevorstehende Impf-Deals an Ringier geleitet worden waren.

    Die neuen Vorwürfe reihen sich ein in eine ganze Reihe von Skandalen von Bundesrat Berset, von der Affäre um seine ehemalige Geliebte (samt Einsatz von staatlichen Sondereinheiten) über seine irre Flugshow in Frankreich bis zu den amtlichen Desinformationen in der Corona-Politik (Stichwort «Impf-Lüge»).

    Berset im Wahljahr unter Druck
    Aber auch politisch kommt Berset unter Druck, ausgerechnet in einem eidgenössischen Wahljahr. Man kann verstehen, dass die Genossen not amused sind, mit einem derart lahmen Zugpferd in den Wahlkampf zu steigen. Berset wird sich den parlamentarischen Geschäftsprüfungskommissionen zu stellen haben. Auch gab es bereits Rücktrittsforderungen an ihn.

    Derzeit macht es den Anschein, als ob Berset, der aktuelle Bundespräsident, alles aussitzen möchte. Auf kritische Fragen antwortet er nicht. Auch sein Ex-Intimus Peter Lauener verweigert jede Aussage. Das ist ihr Recht. Aber ist auch politisch klug?

    Klebrige Hinterzimmerpolitik
    Nein. Berset untergräbt mit seinen Taten und seinem dröhnenden Schweigen das angekratzte Vertrauen in die Politik weiter. Wenn wichtige Bundesratsentscheide regelmässig im Boulevardblatt «Blick» landen, bevor der Bundesrat diese Entscheide überhaupt getroffen hat – dann ist das nicht nur ein Affront für die Regierungskollegen und eine eklatante Verletzung des Kollegialitätsprinzips. Die Folgen reichen noch viel weiter.
    Erstens: Was sollen die Bürgerinnen und Bürger von dieser klebrigen Hinterzimmerpolitik denken? Wie können sie der Regierung noch vertrauen?

    Eine Staatsmedienaffäre
    Zweitens untergräbt die komplizenhafte Klüngelei zwischen Berset und dem Ringier-Verlag auch das Vertrauen in die Medien. Sie rühmen sich gerne als vierte Macht im Staat, die den Mächtigen kritisch über die Schulter schaut. Und ihnen auf die Finger klopft, wenn es nötig ist. Doch diese kritische Distanz haben die Ringier-Medien aufgegeben. CEO Walder sagt es ja selbst («Wir wollen die Regierung unterstützen»). Das ist ein freiwilliger Verzicht auf Journalismus.

    Ich spreche in diesem Zusammenhang von einer «Staatsmedienaffäre». Denn das Verrückte daran ist: Auch wenn jetzt die anderen grossen Medien mit dem Finger auf Ringier zeigen – sie selbst haben sich ebenfalls wie Staatsmedien benommen.

    Belege dafür? Bitte schön: Die grossen Schweizer Verlagshäuser folgten Berset-Copain Marc Walder, als dieser sie im März 2020 aufforderte, auf den Titelseiten ihrer Zeitungen das ganzseitige Inserat «Bleiben Sie zuhause!» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu publizieren. Der Bundesrat stehe hinter dieser Aktion, aber dies dürfe nicht bekannt werden, raunte Walden den «lieben Chefs» der Verlage zu.

    Wie geht es mit Berset nun weiter?
    Dabei blieb es nicht. Wiederum auf Wink von Walder, der sich in der Rolle einer Art externen Propagandaministers gefiel, druckten die grossen Schweizer Medien in einer weiteren orchestrierten Aktion einen offenen Brief von Simonetta Sommaruga (SP) ab, in dem sie die Bevölkerung aufforderte, sich an die «Regeln» zu halten und die zahlreichen Verbote zu beachten, vom Berufsverbot für viele bis zum Veranstaltungs- und Versammlungsverbot für alle.

    Es gäbe noch weitere Beispiele. Sie alle machen deutlich, dass viele Medien offensichtlich lieber mit der Staatsmacht unter einer Decke stecken als ihr kritisch den Spiegel vorzuhalten.

    Quizfrage zum Schluss: Wie geht es mit Alain Berset nun weiter? Ich bin kein Hellseher. Ich weiss nur: Es wird wesentlich auch davon abhängen, ob die Medien ihren Job machen.


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    Zur Person:
    Dr. Philipp Gut ist Inhaber der Kommunikationsagentur Gut Communications GmbH (www.gut-communications.ch), Journalist, Buchautor und Verleger der «Umwelt Zeitung».

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